Was macht eine “echte” Thüringer Rostbratwurst aus?

Mancher Thüringer freut sich in der Ferne auf den verlockenden Rauch von der Wurstbude ums Eck. Dort angekommen, entpuppt sich die angepriesene echte Thüringer Bratwurst jedoch als »Rostbratwurst Thüringer Art«, also eine Interpretation ohne das originale Geschmackserlebnis. Denn die »echte« besteht aus festgelegten, hochwertigen Grundzutaten und keinesfalls Geschmacksinterpretationen von jenseits des Bratwurstäquators auf dem Kammweg des Thüringer Rennsteigs.

Grundzutaten einer echten Thüringer Rostbratwurst

Jede echte Thüringer Rostbratwurst besteht zu großem Anteil aus Schweinefleisch von der Schulter. Erlaubt sind nach geschützter Herkunftsbezeichnung außerdem geringere Anteile von Kalb oder Rind. Dieses Fleisch wird zuerst gewolft, dann zur Hälfte oder individuellen Anteilen gekuttert. Grundgewürze sind Salz und Pfeffer. Weitere Zutaten bleiben nach hunderten Jahren Thüringer Bratwurst-Tradition geheim. Der Darm stammt ebenfalls vom Schwein in unterschiedlicher Stärke. Wichtig und bis heute bewahrt ist der Bezug der Rohstoffe vom Fleischerzeuger nebenan und von hiesigen Agrarbetrieben oder Kräutergärtnereien, oft aus eigenem Kräuteranbau. Damit arbeiteten schon vor mehreren hundert Jahren die Metzgereien nach dem Konzept der Nachhaltigkeit, das heutzutage wiedergefunden wird.

Dieses Rezept klingt simpel, wird aber zur Familienehre in beinahe jeder Thüringer Traditionsmetzgerei durch geheime Gewürzzutaten ergänzt. Auch hängt der Geschmack der »Echten« stark von der Fütterung der Schweine und Rinder in der jeweiligen Region ab, ist also saisonal und von Metzger zu Metzger unterschiedlich. Eines jedoch haben alle gemeinsam: Sie kommen saftig und knackig vom Rost und werden am besten sofort in einem aufgeschnittenen Brötchen verzehrt.

Ihre Frische ist am besten gewährleistet, wenn die Wurstmenge vom Metzger praktisch binnen weniger Stunden auf den Grill wandert. Wurde die Rohmasse vorher eingefroren, sollte sie am besten langsam in kaltem Wasser auftauen.

Familienrezepte für die echte Thüringer Bratwurst über Generationen weitergegeben

Es gleicht einem Wunder, dass für die echte Thüringer Bratwurst ein überliefertes Erstrezept existiert. Es kann als Aufzeichnung der Weimarer Fleischerhandwerksordnung aus 1613 im Staatsarchiv Weimar bestaunt werden. Familiär galt stets: »Namma, wos me hamm« (Nehmen wir, was wir haben). So entwickelte sich nördlich des Bratwurstäquators die echte Thüringer Rostbratwurst mit Kümmel, um die mystische Grenze herum mit Knoblauch und im Süden mit Majoran.

Jedes Familienrezept ist für die nachfolgende Generation mehr wert als ein vererbtes Haus oder Anlagekonto. Denn die besten Metzgereien sind weiterhin ab Mittwoch quasi nur mit der Produktion ihrer legendären Thüringer Rostbratwurst beschäftigt, um Freitag bis zehn Uhr alle Vorbestellungen aus den Ortschaften und dem Umland fertig auf den Grillrost zu bekommen.

Trotz penibler Einhaltung der Rezepturen macht die echte Thüringer Rostbratwurst ein feiner Unterschied verschiedener Wochenproduktionen aus. Denn trotz aller maschinellen Unterstützung bereiten die Familienmetzgereien ihre Gewürzmischungen weiterhin von Hand zu, was sich geringfügig, für Stammkunden aber schmeckbar auf den »Wochengeschmack« auswirkt. Eine unerlaubte Abweichung vom Original bedeuten solche Nuancen jedoch nicht.

Reinheitsgebot als Qualitätssiegel der echten Thüringer Rostbratwurst

Mittelalterliche Hygienebedingungen waren deutlich geringer als heutige. Deshalb erging für die Thüringer Rostbratwurst im Jahr 1432 ein Reinheitsgebot. Nach diesem darf nur reines Fleisch der genannten Sorten, frisch geschlachtet und zerlegt sowie garantiert ungezieferfrei für die Bratwurst aus Thüringen gewolft und verarbeitet werden. Innereien, minderwertige Fleischanteile oder sehnige Bestandteile sind nicht erlaubt.

Neuere EU-Vorgaben bestimmen, dass eine Thüringer Rostbratwurst nur echt bei einer Länge von mindestens 15 Zentimetern und einem Gewicht von 100 bis 150 Gramm ist. Selbstverständlich ist es Ehrensache für die Familien bis heute, sich an dieses und das alte Reinheitsgebot bei jeder Charge akribisch zu halten.

Geschützte geografische Herkunftsangabe der echten Thüringer Spezialität

Das »Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft« (BMEL) unterscheidet den Schutz regionaler Spezialitäten in Deutschland nach Herkunft der Zutaten und Ort der Verarbeitung. Das bedeutet beispielsweise, dass Spezialitäten mit bestimmten Käseanteilen zwar nur mit einem regionalen Käseprodukt zubereitet werden dürfen, das aber über die Herkunftsregion hinaus.

Für die »echte« Thüringer Rostbratwurst gelten gleich drei Schutzsiegel des BMEL: Es handelt sich um eine geschützte geografische Angabe, eine geschützte Ursprungsbezeichnung und eine garantiert traditionelle Spezialität. Damit sind für die Namensberechtigung keine Neuexperimente mit den alten Thüringer Familienrezepten erlaubt.

Echte Thüringer Zubereitung für das echte Thüringer Kulturgut

Nichts vertreibt die Wartezeit bei Grillpartys in Thüringen schöner als die Diskussion, wie denn nun die einzig wahre und echte Rostbratwurst vom Nachbarsmetzger richtig und würdig zubereitet wird. Traditionell liegt sie roh auf einem Holzkohlegrill. In manchen Thüringer Regionen wird sie vorher gebrüht, vermutlich aus historischer Notwendigkeit des Haltbarmachens.

Einig sind sich alle Fans der Thüringer Spezialität darin, dass Fichtenspäne und anderes Holz der Region als Grillkohle am besten schmecken. In der Pfanne bemängeln manche Gourmets den zu geringen Fettaustritt, was sich auf einem Kontaktgrill oder in einer geriffelten Grillpfanne leicht beheben lässt. Original ist jedoch weiterhin die Zubereitung im Freien, mit viel aromatischem Qualm von schmackhaften Harzen heimischer Hölzer.

Eine Traditionsbeilage zur »echten« Thüringer Rostbratwurst ist ein Brötchen zum Auf-der-Hand-Essen. Im Restaurant oder beim Grillfest sind auch Kartoffelsalat und Kräuterbutter zur geschmacklichen Unterstützung und als Sättigungsbeilage akzeptabel. Keinesfalls essen Bratwurstfans ihre »Echte« mit Ketchup, sondern treu und genüsslich mit mittelscharfem Senf. Ausnahmen bestätigen in diesem Fall natürlich die Regel.

Unterhaltsame Fakten um die echte Thüringer Rostbratwurst

  • Aus Liebe zur echten Thüringer Bratwurst benannte ein amerikanischer Archäologe seinen Saurierfund am Bromacker bei Tambach-Dietharz »Tambachia Trogollas« (Wurst mampfender Saurier).
  • uhl ernennt jährlich einen Thüringer Bratwurstkönig, aktuell Norbert der I. mit seinen Grillzwergen (Stand März 2023).
  • Der 16. August jedes Jahres wird von Thüringer Bratwurstfans und ihren Gästen als offizieller »Tag der Bratwurst« gefeiert.

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